Werbesprache – Betrügersprache
17. Jul 2012 von Wolf
Die Überschrift ist bewusst provokant formuliert, damit wir schneller zum Kern des Themas gelangen.
Zum Thema Werbung sind unzählige Bücher geschrieben worden, und es würde ganz sicherlich ein dickes Buch füllen, allein die Tricks der Werbebranche mit einer ultra kurzen Erklärung aufzuzählen. Tatsache ist, dass unsere Medien von der Werbung regelrecht verseucht sind, und zwar zum allergrößten Teil mit ungewollter, aufgezwungener Werbung. Längst vorbei sind die paradiesischen Zeiten aus den Anfängen des Fernsehens, wo die Werbezeit auf eine halbe Stunde abends beschränkt war. Machen wir uns nichts vor: wir lassen uns aus purer Bequemlichkeit und Suchtverhalten tag-täglich von einer ungeheuer idiotischen Werbung vergewaltigen – also haben wir es auch nicht besser verdient.
Jedem Menschen, der noch eins und eins zusammenzählen kann, sollte klar sein, wie völlig überflüssig und nutzlos, ja, betrügerisch diese Werbung ist. Was wirklich gut ist, braucht keine Werbung – das sagt doch alles – denn das heißt, dass alles was nicht gut ist, eben eine solche Werbung braucht. Aber es geht nicht nur um die Qualität der angepriesenen Sache, es geht vor allem um deren Nutzlosigkeit. Nicht umsonst empfinden die meisten von uns Werbung als nervig und störend, versucht man uns doch Dinge aufzuschwatzen, die wir bei genauerem Hinsehen weder brauchen noch wollen.
Die Werbeindustrie hat in den letzten Jahrzehnten keinerlei Mühe gescheut, uns, die Konsumenten, bis in die letzten Winkel unseres Konsumverhaltens zu durchleuchten, dessen Ursache unsere Wünsche, Interessen, Begierden, Ängste und Gewohnheiten sind. Oh ja, diese Leute kennen unsere Schattenseiten viel besser als wir selber, und ihre Sprache ist perfekt abgestimmt auf was wir hören – und haben wollen. Wir haben Angst vor dem alt werden? Was wollen wir da gerne hören? Richtig – wir leben schließlich im 21.Jahrhundert, in einer Zeit unfassbaren Fortschritts in Wissenschaft und Technik, wo Wunder, kleine und große, nur noch ein paar klinische Tests entfernt auf uns warten. Da muss es doch etwas geben, was die Lebenskraft wieder regeneriert, die Potenz wieder auf 100% bringt, die Falten wegmacht, die Haare wieder sprießen lässt und uns mal kurz ein paar Jahrzehnte jünger macht. Wäre ja gelacht, wenn dem nicht so wäre! Nun, jetzt lesen Sie mal, was Ihnen die Pharmaindustrie, die Kosmetikindustrie und natürlich auch die falschen Alternativen mit ihren diversen Mittelchen da alles versprechen … eben genau das, was Sie gerne hören und glauben wollen.
Ein anderes Beispiel: die meisten von uns möchten natürlich das Beste vom Besten, aber bitte zu Dumping-Preisen. Da fühlen wir uns erst so richtig in unserem Element, wenn wir ein Zimmer im fünf Sterne Hotel zum Preis einer Schlafpritsche in einer Jugendherberge ergattern … wir sind nämlich die Schnäppchen-Monster. 95% der gesamten Weinbranche lebt allein von dieser, unserer Unart, von dieser Schnäppchensucht. Der untrinkbarste Schrott wird zu Rivalen großer Bordeaux- oder Burgunderweine mit einer schier endlosen Litanei der Superlative hochgejubelt, und dann für Sie, aber nur für Sie, zum Spottpreis eines Aldiweins abgegeben. Wieder einmal ist es ja genau das, was Sie unbedingt hören wollen: dass Sie nämlich die Nase vorn haben, die Kenner-Nase wohlgemerkt, und Sie deswegen allen anderen diesen Wein vor deren Nase wegschnappen. Sie sind nämlich ungemein clever, denn Sie vertrauen sich hier den Fachleuten an, die nur darauf gewartet haben, einen solch rafitückischen Konsumenten wie Sie mit diesem unglaublichen Schnäppchen zu belohnen.
Die ursprüngliche Idee einer Werbung hatte vielleicht eine gezielte Produktinformation im Sinn. Gegen Information, so sie denn vom Verbraucher gewünscht wird, ist eigentlich nichts einzuwenden. Nun denn, prüfen Sie doch einfach mal die Werbung, die da Stunde um Stunde jeden Tag auf Sie niederprasselt auf deren Informationsgehalt … nicht wahr, so gut wie gar keiner! Es geht nämlich schon längst nicht mehr um echte Information. Stellen Sie sich einmal den Aufwand vor, wolle man Sie nur über den Vorteil eines bestimmten Waschmittels im Vergleich zu anderen „informieren“ – da müsste man erst einmal jeder interessierten Hausfrau einen Aufbaukurs in Chemie erteilen! Es sei denn, Sie lassen sich von dem gefälschten bzw. per Photoshop geschönten Bildbeweis überzeugen, auf dem das Handtuch mit dem neuen Waschmittel blendend weiß strahlt, während das andere dagegen ganz grau aussieht … also, wenn das kein Beweis ist!
Nein, in der Werbebranche geht es um Ihre Wünsche und Begierden, so wie es in der Versicherungsbranche um Ihre geheimen Ängste geht. Wie können Sie dem ganzen entgehen?
Ganz einfach: hören Sie auf, sich unbedingt selber betrügen zu wollen. Es gibt nun mal keinen qualitativ hochwertigen Wein zu Aldipreisen. Es gibt keine Pille, die Ihren verkehrten Lebensstil korrigieren und Sie, diesem langzeitig praktizierten Lebensstil zum Trotz mal kurz zwanzig Jahr jünger machen kann. So wie es bis auf den heutigen Tag keine Pille gibt die Sie schlank macht … wenn Sie bei Ihren schlechten Essgewohnheiten bleiben.
Und … Werbesprache … ist Betrügersprache!