Alternative Medizin und alternativer Schwachsinn
1. Apr 2012 von Wolf
Ein großes Problem der alternativen Medizin ist, dass sich unter ihrem Namen Behandlungen und Präparate tummeln, die mit Medizin nichts zu tun haben – man könnte in der Tat von alternativem Schwachsinn sprechen.
An dieser Stelle dürfte offensichtlich werden, dass man um eine Definition von „Medizin“ nicht herum kommt. Allerdings sollten Sie sich selber solch eine Definition erstellen: was wollen Sie persönlich unter dem Begriff Medizin, und demzufolge dann unter regulärer und alternativer Medizin verstehen? Ihre Definition kann anders aussehen als meine – und sie kann auch anders sein als alles was Sie im Lexikon dazu finden oder wie dieser Begriff von wissenschaftlicher Seite her definiert wird. Sie selber sollen bestimmen, welche Behandlungsmethoden und Medikamente für Sie unter den Begriff Medizin fallen.
Wenn ich im Folgenden von alternativem Schwachsinn schreibe, dann basiert das natürlich auf meiner Definition von Medizin, und damit Sie verstehen, warum ich z.B. Vitaminpräparate in die Kategorie „alternativer Schwachsinn“ einordne, muss ich Ihnen meine Definition vorstellen. Für mich gehören nur solche Behandlungsmethoden und Präparate zur Medizin, die im Falle einer Erkrankung zu meiner Heilung beitragen. Mit Ausnahme bestimmter Krankheiten (z.B. Tropenkrankheiten), gegen die man sich mittels Medikamenten oder Impfungen präventiv schützen kann, fällt für mich alles andere was ich präventiv zur Erhaltung meiner Gesundheit tun kann NICHT in den medizinischen Bereich. Beispiel: Vitaminpillen – die wären für mich nur dann eine „Medizin“, wenn eine entsprechende Mangelerkrankung vorläge (Skorbut wegen Vitamin C Mangel, Perniziöse Anämie auf Grund von Vitamin B Mangel). Es steht außer Frage, dass ein Vitaminmangel in bestimmten Fällen eine Krankheit auslösen kann, aber diese Fälle sind in unseren Wohlstandsgesellschaften und deren Überangebot an vitamin- und spurenelementreicher Nahrung ungemein selten. Wir brauchen hier keine wissenschaftlichen Statistiken oder Studien bemühen – lehnen Sie sich zurück, und lassen Sie Ihren Bekanntenkreis Revue passieren. Wie viele Ihrer Bekannten (Freunde, Verwandte) haben schon Erkältungskrankheiten gehabt? Sicherlich jeder. Zu niedrigen oder zu hohen Blutdruck? Magen- und Darmbeschwerden? Wahrscheinlich mehrere. Aber gibt es darunter jemanden mit einer Vitaminmangelkrankheit?
Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, ist der menschliche Organismus seit Anbeginn darauf ausgelegt, sich alles was er für seine Leistung und Funktionsfähigkeit braucht, einzig und allein aus der Nahrung zu holen. Wäre er auf hoch dosierte, tägliche Gaben von synthetisierten Vitaminen angewiesen, wären wir schon längst ausgestorben. Unseren hunderttausende von Jahren weisen Organismus mit synthetischen Vitaminpräparaten „aufpeppen“ zu wollen, ist für mich eine infantile Respektlosigkeit (unserem Organismus gegenüber) sondergleichen.
Aber nun gut – jeder zieht seine Linie woanders.
Vitaminpräparate sind in einer weiteren Hinsicht ein gutes Beispiel für die Unklarheit und Mehrdeutigkeit, mit welcher der Begriff „Alternative Medizin“ behaftet ist: wo ist die Grenze zu ziehen zwischen Medizin und Ernährungswissenschaft? Eine gesunde Ernährung hat zweifelsohne Einfluss auf jenen Zustand des Körpers, den wir allgemein mit „gesund“ bezeichnen – aber ist Nahrung deswegen gleichbedeutend mit Medizin? Nein, ist sie nicht, zumindest nicht nach meiner Definition, denn dann wäre alles, was ich zur Erhaltung meiner Gesundheit tue, ebenfalls Medizin: schlafen, bewegen, entspannen, gesunden Stress pflegen usw.; und trotz allem was ich in dieser Hinsicht für meine Gesundheit tue, kann ich krank werden … das kann diese Art von „Medizin“ ganz offensichtlich nicht verhindern. Natürlich ist ein gesunder Lebensstil allemal besser für die Gesundheit als ein ungesunder, aber ein gesunder Lebensstil sollte eigentlich der Normalzustand, sollte eben natürlich sein.
Ein natürlicher, gesunder Lebensstil ist keine Medizin – und keine Medizin der Welt, egal ob wissenschaftlich oder alternativ, kann ihn durch irgendwelche Präparate oder Behandlungsmethoden ersetzen! Was diesen gesunden Lebensstil anbelangt, so ist der kein Geheimnis, kein Resultat neuester Forschung, keine wissenschaftliche Formel oder das Resultat mysteriöser Praktiken. Er ist so natürlich, simpel und offenbar, dass noch nicht einmal ein Blinder daran vorbeisehen kann, und er wird uns allen mit in die Wiege gelegt – und nein, wir haben ihn trotz unserer hochtechnischen Zivilisation immer noch nicht kaputt bekommen. Die „Formel“ hat sich seit Urzeiten nicht geändert: eine vernünftige Ernährung, ausreichende Bewegung und Ruhe (Schlaf), und Übertreibungen meiden … das war es.
Je weiter man die Grenzen steckt zwischen den verschiedenen Bereichen, die sich unter den Schirm „Alternative Medizin“ drängen, desto mehr öffnet man sich all der Angstmacherei, welche die Hersteller diverser Behandlungsmethoden und Präparate gekonnt schüren, um damit ihr Geld zu machen. Von der medizinischen Schlafmatratze, über die medizinische Gesichtscreme bis hin zum medizinischen Heimtrainer, von der medizinischen Ernährung, über die medizinische Unterhose bis hin zur medizinischen Gehirnwäsche wird man da auf Dauertrab gehalten. Nichts ist paradoxerweise heutzutage einfacher – trotz aller Information und Rationalität – als uns Angst, und mit dieser Angst Geld zu machen. Hören Sie einem Versicherungsvertreter eine Stunde lang zu, und Sie werden entdecken, wie unglaublich gefährlich Sie leben, und wogegen Sie sich demzufolge versichern sollten. Hören Sie auf die pseudoalternative Medizin, und Sie werden ein Leben lang damit beschäftigt sein, sich mit deren Präparaten gesund zu halten – und dabei das Gegenteil tun, nämlich sich damit krank machen.
Fazit: Ein gesunder Lebensstil hat absolut gar nichts mit angeblich gesundheitsfördernden Präparaten zu tun! Werfen Sie den ganzen pseudowissenschaftlichen und pseudoalternativen Schwachsinn getrost in den Abfallkorb.