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Was ist ein Quacksalber?

Mit diesem Begriff bezeichnete man bis ins 20.Jahrhundert jene  „wissenschaftlichen“ Ärzte, die ihre geschlechtskranken (Syphilis) Patienten mit Quecksilber meist zu Tode behandelten. Diese Ärzte waren keine Betrüger! Sie glaubten felsenfest an die Wirksamkeit ihrer (Schmier-Salben) Behandlung. Die Befürworter dieser Quecksilbersalbentheraphie nannten sich Mercuristen, und sie waren jenen Doktoren, die an dieser Wirksamkeit zweifelten bzw. sie in Frage stellten, spinnefeind.

Wir wollen festhalten, dass der ursprüngliche Quacksalber kein Betrüger war – er war Arzt, richtete aber nichts desto trotz zusätzlich zur eigentlichen Krankheit schwersten, gesundheitlichen Schaden an, und ließ sich dafür bezahlen. Heute tritt die betrügerische Komponente, dass sich „bezahlen lassen“ trotz gesundheitsschädigender Wirkung des Mittels oder der Behandlung, bei Verwendung dieses Begriffes in den Vordergrund.

Es gibt aber trotzdem einige Varianten mit denen man sich vertraut machen sollte, wenn man entweder selber diesen Begriff benutzen will, oder wenn andere damit – fast ausnahmslos – Vertreter der alternativen Medizin belegen.

Variante 1): Herr T. stellt in seiner Garage ein Gebräu aus destilliertem Wasser, Farbpulver, Schlangenfett und verschiedenen Aromastoffen her, füllt es in Arzeneimittelfläschchen, und stellt diese „Medizin“ auf einer wissenschaftlich aufgemachten Webseite als Wundermittel gegen Magenbeschwerden vor. Er weiß genau, dass sein Gebräu überhaupt nicht wirkt. Sein Vorläufer hat früher auf Jahrmärkten, mit als „Leuten aus der Menge“ getarnten Komplizen, noch ein viel schlimmeres Gebräu unter die Leute gebracht … Herr T. ist kein Quacksalber, obwohl der englische Begriff „snake-oil-charmer“ darauf hinzudeuten scheint, sondern ein Betrüger. Das Internet ist voll von solchen Betrügern, die sicherlich hinter Schloss und Riegel gehören, aber die man andererseits auch als notwendige „Prüfer“ Ihres gesunden Menschenverstandes ansehen kann. Einem Betrüger geht man „auf den Leim“ … oder aber auch nicht! Herr T. reitet vornehmlich auf der wissenschaftlichen Welle, ganz einfach weil die als seriöser gilt. Er hat meistens selber – angeblich und selbstverständlich nicht nachprüfbar – jahrelang bei einem bekannten Pharmazieunternehmen gearbeitet, ist aber als verkanntes Genie seine eigenen Wege gegangen, hat sich dann in der Regel mit einer gesellschaftlich-politisch-fachlich höher stehenden Person zusammengetan („…mein langjähriger Freund Herr Dr. X aus dem Gesundheitsministerium“), und mit ihr ein „unglaublich wirksames Mittel“ gegen die Krankheit XY entwickelt … wer das glaubt, ist selber schuld.

Variante 2): Herr V. interessiert sich hobbymäßig für Naturheilverfahren. Er liest und recherchiert, und braut dann aus verschiedenen Kräutern einen Trank, den er zuerst an seinen eigenen Magenbeschwerden (vom Facharzt diagnostiziert) ausprobiert. Volltreffer – er kuriert sich. Nun gibt er den Trank an seinen Freund weiter, der an denselben Magenbeschwerden leidet – abermals Volltreffer, auch der „gesundet“. Der Trank macht nun im Bekanntenkreis seine Runde, und wie es der Zufall will, behaupten auch da alle, der Trank habe ihnen geholfen. Nun tut Herr V. den fatalen Schritt: er bietet seinen Trank im Internet als wirksames Mittel gegen Magenbeschwerden an (zu einem bescheidenen Preis) – und die Beiträge auf seiner „so urteilen Patienten“ Seite sind nicht gefälscht oder erfunden. Leider wirkt diesmal das Mittel nicht bei jedem der es bestellt, und jemand zeigt Herrn V. an. Ist Herr V. nun ein Betrüger wie Herr T.? Ganz offensichtlich nicht: er hat vermeintliche Beweise für die Wirksamkeit seines Trankes gesammelt, er glaubt selber felsenfest an dessen Wirkung – er wollte nur Gutes tun (nicht anderen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen) – aber, darin sind sich alle mit ihrem gesunden Menschverstand denkenden Menschen einig: so geht es nicht! Ist Herr V. ein Quacksalber – so ganz scheint der Begriff nicht auf ihn zu passen … er ist ein Naivling, der anscheinend noch nie etwas von den gesetzlichen Reglungen in Bezug auf Heilkräuter, daraus gewonnen Heilmitteln, der Lizenzierung für Herstellung und Vertrieb gehört hat.

Variante 3): Herr D., Facharzt für innere Krankheiten, behandelt an der Krankheit I leidende Patienten mit einem „Medikament“, von dem er weiß, dass es nichts bewirkt. Er hat nämlich herausgefunden, dass sein Charisma so „wirksam“ ist, dass er dadurch mit dem Placeboeffekt genauso gute Erfolge erzielt, wie mit einem teueren Medikament, welches zudem noch beträchtliche Nebenwirkungen hat. Also behandelt er diese Patienten mit Zuckerpillen, mit Placebos.

Sei meinen, so etwas sein entweder meiner Phantasie entsprungen oder höchstens ein Einzelfall? Sie irren! Bundesweit üben über 1000 Fachärzte auch Homöopathie aus, die, nach Ansicht der Skeptiker, absolut wirkungslose „Charlatanerie“ ist – Homöopathen werden von den Skeptikern als Quacksalber bezeichnet, die Patienten betrügen und „ungeheueren Schaden“ anrichten. Sind diese Fachärzte, die zugleich Homöopathie betreiben, nun auch Quacksalber, oder Betrüger … oder was? Oder haben eben diese Fachärzte vielleicht festgestellt, dass die Homöopathie doch … funktioniert?

Variante 4): Facharzt Dr.P. verordnet ein Medikament welches den ganzen wissenschaftlichen Apparat durchlaufen hat. Da kommen die ersten Negativmeldungen von Patienten. Dr.P. vertraut fest auf die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zur Wirkungsweise des Medikamentes – die Ursachen der Patientenbeschwerden müssen einen anderen Grund haben. Also verordnet er das Medikament auch weiterhin. Nach fünf Jahren stellt eine erneute Forschung die Schädlichkeit des Medikamentes fest, welches daraufhin vom Markt genommen wird. Der ursprünglichen Definition nach ist Herr Dr. P. ein Quacksalber: er hat, im Glauben an die Wissenschaft, ein gesundheitsschädigendes Medikament verordnet und sich dafür bezahlen lassen – genauso gut könnte man ihn auch als ein Opfer seines Wissenschaftsglaubens sehen, oder?

 

Variante 5): Eine Hauptbehandlungsmethode des Heilpraktikers Herrn B. ist die Fußreflexzonenmassage. Er erzielt damit bei verschiednen Beschwerden gute Erfolge. Natürlich ist sie kein Allheilmittel, und bei einigen Patienten wirkt sie besser als bei anderen, aber dafür ist es eine Behandlungsmethode ohne Nebenwirkungen – Schaden kann man damit wahrhaftig nicht anrichten. Allerdings kostet jede Fußmassage einen gewissen Betrag, ob sie nun funktioniert oder nicht. Nun kommt eine wissenschaftliche Studie zu dem Ergebnis, dass diese Therapie ein völliger Humbug sei, nichts davon könne wissenschaftlich nachgewiesen werden. Heilpraktiker B. lässt sich davon nicht beeindrucken (wissenschaftliche Studien gibt es viele, und mit großen Qualitätsunterschieden bzw. großen Unterschieden in Bezug auf die Aussagekraft) – immerhin schwören einige seiner Patienten auf diese Behandlung – als macht er weiter. Ist dieser Mann nun ein Quacksalber, ein Betrüger … oder was?

Sie sehen, es ist gar nicht zu einfach, den Begriff Quacksalber präzise zu fassen und anzuwenden. Es gibt sowohl in der alternativen wie auch in der regulären Medizin nur wenige Menschen, die bewusst gesundheitsschädigend und betrügerisch agieren. Solche Menschen sind Betrüger, sind Kriminelle, aber keine Quacksalber im eigentlichen Sinn. Wenn jemand nach seinem besten Wissen und Gewissen handelt, dadurch aber Menschen gesundheitlich schädigt, und man das als Quacksalberei bezeichnen will, dann finden wir diese Fälle SOWOHL in der regulären ALS AUCH in der alternativen Medizin! Der Homöopath glaubt an die Wirksamkeit seiner Behandlung genauso wie der Facharzt an die seinige – keiner von beiden will den Patienten schädigen oder gar betrügen. Der Homöopath kann im wissenschaftlichen Zweifelsfall immerhin für sich verbuchen, dass er mit seinen Mitteln nicht schädigt … was der Facharzt nicht kann!

Was ist quacksalberischer – eine Behandlung, die nicht wirkt, oder eine, die, weil anders als geplant wirkt, schwersten Schaden anrichtet?

 

 

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