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Unter den vier klassischen alternativen Behandlungsmethoden (Homöopathie, Chiropraktik, Akupunktur und Pflanzenheilkunde) ist die Akupunktur der Exote, und kaum ein Europäer hat konkrete Vorstellungen davon, wie sie funktionieren soll und was man mit ihr behandeln kann. Zwar sind heutzutage Begriffe wie „Meridiane“ , Yin und Yang usw. vielen bekannt, aber allein die Anzahl der Akupunkturpunkte (ca. 400), das komplexe System der Meridiane dem sie zugeordnet sind, deren Entsprechungen zu den menschlichen Organen, Muskeln und Nerven, die dem Ganzen zu Grunde liegende chinesische medizinische Philosophie, genügen, um jeden noch so interessierten Laien zu verunsichern oder gar abzuschrecken.

Die Frage ob sie funktioniert oder nicht, lässt sich ohne große Vorkenntnisse oder Studien aus ihrer Geschichte beantworten: die Akupunktur ist eine ca. 2000 Jahre alte und erprobte, chinesische Heilmethode. Sollen Millionen von Chinesen über 2000 Jahre auf eine völlig wirkungslose Behandlungsmethode hereingefallen sein, bzw. an ihr festgehalten haben?

Wie würden Sie reagieren? Sie gehen mit Schulterschmerzen zur Akupunktur. Der Behandelnde sagt, er brauche mindestens vier bis sechs Sitzungen, um Ihnen Erleichterung zu verschaffen. Nach sechs Sitzungen hat sich bei Ihnen nichts getan. Sie nehmen, um sicher zu gehen, noch einmal vier Sitzungen, aber die Schmerzen bleiben. Sehr wahrscheinlich brechen Sie die Behandlung ab, oder? Irgendwann verschwinden die Schmerzen von selber, aber dann bekommen Sie Rückenschmerzen. Von Bekannten hören Sie, das sei die eigentliche Spezialität der Akupunktur, also versuchen Sie es wieder. Aber auch diesmal bleibt der Erfolg aus. Vielleicht gehören Sie zu den ganz hartnäckigen Menschen und versuchen es auch noch ein drittes Mal – bleibt auch dieser Versuch erfolglos, legen Sie diese Behandlungsmethode als ineffizient Ad acta, und so wie Sie werden 99% aller Menschen handeln, denn aus Erfahrung wird man klug. Also: wenn Akupunktur wirkungsloser Hokuspokus wäre, gäbe es sie schon längst nicht mehr!

Es gibt allerdings zwei Probleme:

1) Egal ob reguläre oder alternative Medizin – es gibt keine Allheilmedizin! Verschiedene Bereiche in beiden sind auf bestimmte Krankheiten spezialisiert. Mit einem Knochenbruch geht man nicht zum Internisten, nicht zum Homöopathen oder Chiropraktiker … und auch nicht zur Akupunktur. Mit anderen Worten, man sollte sich gezielt informieren, welche Erkrankungen sich mit Akupunktur behandeln lassen. Diese Auskunft bekommen Sie am Besten vom Akupunkteur selber, so er

2) ein erfahrener und gut ausgebildeter Akupunkteur ist, und ein solcher dürfte in Deutschland nicht immer leicht zu finden sein. Die Grundausbildung für den Teilbereich Akupunktur der traditionellen, chinesischen Medizin beträgt drei Jahre – Akupunktur ist also keine Behandlungsmethode, die man in Wochenendseminaren oder monatlichen Intensivkursen „mal kurz“ erlernen bzw. sich nebenbei aneignen kann. Hinzu kommt, dass der Akupunktur, die eben nur ein Teilbereich der traditionellen, chinesischen Medizin ist, ein Krankheitsursachenbild zu Grunde liegt, welches der westlichen Medizin nicht nur fremd ist, sondern von ihr – da es nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden kann – als unwissenschaftlich abgelehnt wird.

Es stellt sich also die berechtige Frage, in wie weit ein mit westlicher Logik und Wissenschaftlichkeit vorprogrammierter Kopf – mit dem westlichen Verständnis von Krankheitsursachen, -verläufen und -behandlungen -, hier zu einem echten Verständnis kommen kann. Aber … auch hier wäre der Hahnemannsche Satz gültig: ob man es nun versteht oder nicht, Hauptsache es funktioniert! Und funktionieren tut die Akupunktur bei bestimmten Erkrankungen nicht nur sehr gut, sondern zugleich auch deutlich besser als die Methoden der westlichen Medizin:

Klinische Studien zeigen eine Wirksamkeit der Akupunktur bei durch Kniegelenksarthrose bedingten Schmerzen, bei chronischen tiefen Rückenschmerzen und bei der Prophylaxe von Migräneattacken. Bei den genannten Beschwerden ist die Wirksamkeit von Akupunktur deutlich höher als die einer schulmedizinischen Behandlung. So trat in den GERAC-Studien (German Acupuncture Trials, 2002 – 2007), den bisher umfangreichsten klinischen Untersuchungen, bei der Behandlung von tiefen Rückenschmerzen bei 47,6% der Akupunktur-Patienten, 44,2% der Scheinakupunktur-Patienten und nur 27,4% der Schulmedizin-Patienten eine erkennbare Verbesserung ein. Allerdings wurde in einigen Studien auch gezeigt, dass Scheinakupunktur, bei der irgendwohin gestochen wird, nicht signifikant weniger wirksam ist als eine nach traditionellen Regeln durchgeführte Akupunktur.[1][2][3][4][5] Akupunktur wird zur Behandlung zahlreicher weiterer Beschwerden angeboten, auch wenn bisher kein schulmedizinisch anerkannter Beleg für eine Wirksamkeit vorliegt. (Wikipedia, Stichwort Akupunktur).

Die Ergebnisse der GERAC-Studien könnten u.a. ihren Grund in der Ausbildung deutscher Akupunkteure haben. Vielleicht wäre bei traditionell ausgebildeten Akupunkteuren die Erfolgsrate höher gewesen, aber selbst wenn sie 20 oder 30% höher gelegen hätte, bliebe das Scheinakupunkturergebnis trotzdem erstaunlich (vor allem in Bezug zum Behandlungserfolg der regulären Medizin).

Enter: Japanische Akupunktur.

Ich fühle mich berufen, an diesem Punkt ausnahmsweise meine eigenen Erfahrungen einzubringen, denn ich lebe seit nunmehr insgesamt 22 Jahren in Japan und habe über diesen Zeitraum hinweg oftmals Akupunkturbehandlungen in Anspruch genommen. Ich lebe auf dem Land; eines meiner Hobbies ist die Landwirtschaft (allerdings in einem sehr bescheidenen Rahmen), und viele damit verbundene Arbeiten schlagen auf das Kreuz: graben, schaufeln, hacken, tragen usw. Auf dem Land lassen sich noch viele Japaner alternativ behandeln; die Akupunktur ist zudem eine in die westliche Medizin integrierte Behandlungsweise, die entweder von den Ärzten selber praktiziert wird oder die Patienten werden von ihnen an Akupunkteure überwiesen.

Japan ist ein sehr spezieller Fall: seine Kultur, seine Schrift, die Religion (Buddhismus) und die ursprüngliche Medizin kamen zwar aus China, haben sich aber über die Jahrhunderte eigenständig weiter entwickelt. Übernehmen, kopieren, assimilieren, verbessern, neu schaffen und letztlich etwas unverwechselbar Japanisches daraus machen – dieses Konzept haben die Japaner seit Jahrhunderten kultiviert und perfektioniert, und so ist auch die japanische Akupunktur eine ganz eigene Version des chinesischen Originals. Genauer gesagt: es gibt eine Vielfalt japanischer Akupunkturtechniken, die teilweise stark von der traditionellen, chinesischen Akupunktur abweichen. So z.B. eine Art, bei welcher der Akupunkteur massagemäßig mit dem Finger Verspannungen aufspürt und diese dann, mit kaum fühlbaren Nadelstichen (max. Einstichtiefe 1mm) „löst“ (diese Technik orientiert sich, wenn überhaupt, nur grob oder punktuell an traditionellen Akupunkturpunkten); bei einer anderen Technik werden mitunter bis zu einhundert 2cm kurze Nadeln entlang der Meridiane in kurzen Abständen unter die Haut geschoben (schmerzlos), dort mit kleinsten Pflästerchen fixiert, um ca. eine Woche lang „drin“ zu bleiben (entgegen allen Vorstellungen kann man damit gut schlafen), bis sie von selber herausfallen (dann hat man sie manchmal im Bett oder in der Unterwäsche … nicht so angenehm).

Ein ganz grundlegender Unterschied ist, dass die traditionelle chinesische Akupunktur durchaus schmerzhaft sein kann – ja, der Schmerz oft als Anzeichen dafür genommen wird,  dass sie wirkt – während die japanische Akupunktur in der Regel schmerzlos ist. Die Vielfalt der verschiedenen Techniken scheint die Ergebnisse der Scheinakupunktur der GERAC-Studie zu bestätigen: es muss nicht nur traditionell chinesisch gestochen werden, um eine Wirkung zu erzielen. Allerdings habe ich noch keinen japanischen Akupunkteur getroffen, der nicht sein – auch in Japan – dreijähriges Studium der traditionellen chinesischen Akupunktur absolviert hat, und auch bei seiner Version nicht genau gewusst hat was er tut.

Das man andererseits einfach „irgendwohin“ stechen kann und damit trotzdem eine Wirkung erzielt, halte ich für sehr unwahrscheinlich (probieren Sie es doch selber einmal). Da man hier in Japan Mininadeln (die wie Druckknöpfe konzipiert sind und sich problemlos setzen lassen) zwecks Eigenbehandlung frei kaufen kann, und ich ein sehr experimentierfreudiger do-it-yourself Typ bin, habe ich das schon mehrmals versucht … jedes Mal habe ich damit nur eine Verschlechterung meines Zustandes erreicht und bin danach, reumütig, wieder beim Spezialisten gelandet. Ganz so einfach ist es nun wohl doch nicht.

Japanische Akupunktur ist eine nicht invasive Behandlungsmethode, mit der ich bislang ausnahmslos alle meine Rücken- und Schulterschmerzen losgeworden bin. Trotzdem steckt mir die westliche Medizin tief in den Knochen, und oft genug gehe ich (sicherheitshalber – wie ich mir selber einrede) auch zum Orthopäden. Aber wenn ich dann höre, dass er mir Cortisonspritzen setzen oder Muskelrelaxans verschreiben will, oder mich damit vertröstet, dass mein Problem (steife Schulter) eine Alterserscheinung sei, mit der ich mich abfinden müsste , gehe ich doch lieber zu meinem Akupunkteur, denn: Hauptsache es funktioniert!

 

 

 

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