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Die wissenschaftliche Medizin (auch Schulmedizin, reguläre oder konventionelle Medizin genannt) gehört mittlerweile so zum Alltag moderner Zivilisationsgesellschaften, wie das Auto, der Fernseher oder der Supermarkt um die Ecke. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat nicht nur unvorstellbare Fortschritte gemacht, sie hat vor allem lebensrettende und lebensverlängernde Behandlungsmethoden gefunden, die, dank eines relativ gut ausgebauten, sozialen Netzes allen Bevölkerungsschichten zugute kommen. Wer von uns kann sich heute noch ein Leben ohne den ambulanten Notfallarzt, ohne Rettungshubschrauber, ohne OP, ja, ohne den Zahnarzt vorstellen? Die ärztliche Versorgung ist, das steht außer Frage, ein wertvolles Stück Lebensqualität. Man würde eher auf das Auto, den Fernseher und sogar den Supermarkt verzichten, als auf die medizinische Versorgung. Es steht ebenso außer Frage, dass durch die wissenschaftliche Medizin jeden Tag, jede Stunde Menschenleben gerettet werden –

LEIDER steht es aber auch außer Frage, dass durch eben diese wissenschaftliche Medizin tag-täglich Menschen gesundheitlich schwer geschädigt werden bzw. zu Tode kommen (lesen Sie dazu „Vom objektiven Nutzen – und Schaden“). Die dunkle Mr. Hide Seite der wissenschaftlichen Medizin geht nicht nur auf das Konto von Fehldiagnosen, Behandlungsfehlern oder unfähigen Ärzten – sie resultiert zu einem weitaus größeren Teil aus der unlösbaren Verfilzung der Wissenschaften allgemein und der wissenschaftlichen Medizin insbesondere mit politischen und wirtschaftlichen Interessen (lesen Sie dazu „Panazee Wissenschaften“ und „Sind die Wissenschaften objektiv?). Heilung und z.t. extreme Schädigung liegen in der wissenschaftlichen Medizin so eng beieinander wie die Wirkung und Nebenwirkungen (bzw. Anderswirkungen) ihrer Medikamente. Blindes Vertrauen ist da genau so wenig angesagt wie blinde Ablehnung. Allein angesichts dieser Sachlage ist es völlig unverständlich, mit welchem Recht die wissenschaftliche Medizin als die allein gültige und einzig wirksame Medizin auftritt.

Die Wirksamkeit ist prinzipiell ein zweischneidiges Schwert, denn nur dann wenn etwas wirkt, kann es Nebenwirkungen haben oder ganz anders wirken als beabsichtigt, und dadurch entsteht oft genug großer Schaden. Der Hauptvorwurf der alternativen Medizin gegenüber ist, dass sie unwirksam sei. Wenn man dieser Behauptung zustimmt, dann folgt daraus, dass der Schaden in der alternativen Medizin durch ihre Unwirksamkeit entsteht. Wir werden sehen, dass dadurch sehr viel weniger Schaden entsteht als im ersten Fall (lesen Sie dazu „Vom objektiven Nutzen – und Schaden“).

Die Entscheidung ob, von wem und wie man sich behandeln lassen will, liegt, bei Volljährigen, beim Patienten. Niemand kann ihn zwingen, mit einer Krankheit (es sei denn sie wäre hochgradig ansteckend und könnte eine, die Bevölkerung gefährdende Epidemie auslösen) zum Arzt zu gehen. Der Patient kann ebenfalls nicht gezwungen werden einen bestimmten Arzt aufzusuchen oder einer bestimmten Behandlung zuzustimmen. Sollte der Patient sich für eine alternative Behandlung entscheiden, kann ihn niemand zwingen, sich stattdessen in eine reguläre zu begeben. In diesem Sinne liegt nicht nur die Entscheidung sondern auch die Verantwortung beim Patienten. Entscheidet Herr X, dass er seinen Krebs nicht wissenschaftlich-medizinisch sondern alternativ behandeln lassen will, und stirbt er dabei, so ist es nicht nur völlig unsinnig dafür mit großem Geschrei die alternative Medizin verantwortlich machen zu wollen – es ist vor allen Dingen eine nachträgliche Entmündigung des Patienten (stirbt Herr X hingegen unter den Händen der wissenschaftlichen Medizin, und das trotz deren „wirksamen“ Methoden, so ist das „ganz in Ordnung“ – da kommt niemand auf die Idee, dafür die wissenschaftliche Medizin verantwortlich machen zu wollen).

Es wird von wissenschaftlicher Seite so getan, als würde die alternative Medizin, z.B. die Homöopathie, solche Patienten wie Herrn X mit falschen Heilungsversprechen locken, und ihn so zum Opfer quacksalberischer Methoden  machen. Es mag den einen oder anderen verantwortungslosen Charlatan geben – sowohl in der alternativen wie auch in der regulären Medizin – aber es ist eine böswillige Verleumdung, solche kriminellen Vorgehensweisen der Homöopathie generell zu unterstellen. Nirgendwo findet sich im Werk Samuel Hahnemanns, dem Organum, der Hinweis oder die Behauptung, dass man mit Homöopathie allgemein Krebs heilen könnte.

Die Wirklichkeit sieht in Fällen, in denen ein Patient mit Krebs eine alternative Behandlung der regulären vorzieht, oft ganz anders aus: gezwungenermaßen – im Angesicht eines baldigen Ablebens – wollen sich solche Menschen ihre letzten Monate nicht mit Behandlungsmethoden ruinieren, die ihren Körper weiter zerstören und mit Nebenwirkungen belasten, die ihnen das noch verbleibende Leben zusätzlich erschweren. Was ist dagegen einzuwenden?

Im Bereich jener Krankheiten, die nicht lebensbedrohend und die zeitlich begrenzt sind, tritt die Wirksamkeitsproblematik der wissenschaftlichen Medizin noch krasser hervor. Beispiel: Herr Y hat eine schwere Erkältung mit Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Husten. Der behandelnde Arzt verschreibt Antibiotika, ein fiebersenkendes Mittel, Schmerztabletten und Hustensaft. Nebenwirkungen: Magen-Darmprobleme wegen der Antibiotika – aber nach zehn Tagen hat Herr Y die Erkältung überwunden. Wäre er zum Homöopathen gegangen, hätte er aus wissenschaftlicher Sicht eine zwanzig- bis dreißigprozentige Heilungschance wegen des Placeboeffekts, oder eine fünfzigprozentige Selbstheilungschance gehabt. Allein damit wäre Herr Y sehr wahrscheinlich seine Erkältung auch in zehn Tagen los gewesen. Wo wäre da durch die angebliche Unwirksamkeit des homöopathischen Mittels ein Schaden entstanden? Der ist aber immerhin durch die allopathischen Medikamente der regulären Medizin entstanden. Nehmen wir einen drastischeren Fall: Herr Z leidet an Gelenkrheumatismus, einer Krankheit, die sehr unangenehme Schmerzen verursacht. Er versucht eine homöopathische Behandlung, ohne Erfolg, die Schmerzen bleiben. Nun geht er zum Facharzt, und der verschreibt ihm ein Schmerzmittel namens Vioxx. Das Mittel wirkt, es lindert die Schmerzen beträchtlich, aber nach einem halben Jahr bekommt Herr Z einen Herzinfarkt. Glücklicherweise überlebt er ihn, und gehört so nicht zu den ca. 40 000 Menschen, bei denen dieses Mittel einen tödlichen Herzinfarkt verursacht hat.

Fazit: Der größte Schaden, den die unwirksame Homöopathie verursacht hat, war dass Herr Z seine Schmerzen weiterhin aushalten musste. Das Mittel der wissenschaftlichen Medizin dagegen hat, neben der schmerzlindernden Wirkung, echten Schaden in Form eines Herzinfarktes verursacht.

Wirklicher Schaden kann durch eine alternative Behandlung nur dann entstehen, wenn die folgenden zwei Faktoren aufeinander treffen: ein völlig unsinniges und verantwortungsloses Patientenverhalten, und ein ebenso verantwortungsloses Verhalten des alternativ Behandelnden. Wenn Sie mit einer akuten Blindarmentzündung auf einer homöopathischen Behandlung bestehen, und eine entsprechend gewissenlosen Homöopathen finden, der sich dazu bereit erklärt, dann wird daraus sehr wahrscheinlich der für Sie größtmögliche Schaden in Form Ihres eigenen Ablebens entstehen.

In der wissenschaftlichen Medizin sind Wirkung und Neben- bzw. Anderswirkung von Medikamenten die zwei Seiten ein und derselben Münze – prinzipiell ist die Möglichkeit, dass Sie Schaden nehmen, mit jeder Behandlung gegeben. So sehr also die Wirksamkeit ein Argument für die wissenschaftliche Medizin ist, so sehr kann es unter Umständen auch eins dagegen sein.

Die wissenschaftliche Medizin ist zweifelsohne immer auf dem modernsten Stand der Dinge – was man von der alternativen Medizin nur gerade nicht sagen kann: in der Homöopathie hat sich seit den ca. 150 Jahren ihres Bestehens kaum etwas geändert, in der Akupunktur läuft es gar seit über 2000 Jahren wie eh und je, und in der Pflanzenheilkunde sind neue Forschungsergebnisse meist nur Bestätigungen dessen, was man, auch ohne die Wissenschaften, seit hunderten von Jahren in Erfahrung gebracht hat. Einerseits mag dieser „Rückstand“ darin begründet sein, dass man effektive und bewährte Methoden nicht deshalb über Bord schmeißt, weil sie „alt“ sind; andererseits muss man fairerweise zur Kenntnis nehmen, dass Forschungsgelder nun einmal ausschließlich in die wissenschaftliche Medizin fließen. Ist dieses nicht-modern-sein nun ein gravierendes Handicap der alternativen Medizin? Wenn Wissenschaftler kürzlich herausgefunden haben, dass bei Erkältungskrankheiten statt der üblichen Antibiotika eine abendliche Honigmilch viel besser wirkt, dann kommt man ins Nachdenken.

Die wissenschaftliche Medizin hat ihre Schattenseiten, ihre Mr.Hide-Seiten, und deswegen ist Skepsis und Vorsicht ihr gegenüber angebracht. Angesichts dieser Tatsache, sollte die wissenschaftliche Medizin genug damit zu tun haben, den Dreck vor ihrer eigenen Tür zu kehren, anstatt stumpfsinnig auf der Unwissenschaftlichkeit der alternativen Medizin herum zu hacken!

 

 

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